Das Gespräch in Rom war auf elf Uhrter-miniert, und Gianluigi Buffon erscheint pünktlich auf die Sekunde. Er schnappt sich erst mal die Replik des WM-Pokals und stöhnt: Man, ist das Ding schwer!" Im Sieger-Delirium 2006 fühlte der Cup sich beim Hochstemmen womöglich leichter an. 2023 beendete Buffon seine Karriere beim Zweitligisten Parma, wo sie 1995 be gonnen hatte. Dazwischen lagen 1151 Einsätze für die Nationalelf, Parma, Juventusund PSG. Selt Au-gust 2023 arbeitete er zunächst als Delegationschef, nach dem absolvierten Diplom nun als Sportchef der Azzurri. Seine angenehme Offenheit hat er wie zur aktiven Zeit beibehalten. Und so erzählt er energisch gestikulierend und ohne Filter über couraglerte Entscheidungen, den Auftrag der Nati-onalelf-und warum er in Dortmund leben möchte.
Es ist jetzt fast zwei Jahre her, dass Sie Ihre Karriere beendet haben. Zuckt manchmal trotzdem noch der Reflex zur Parade, wenn im Park ein Ball auf Sie zufliegt, Signor Buffon?
Ganz ehrlich, nicht im Geringsten. Ich habe vor allem aus Leidenschaft gespielt, und die war als Kind oder Jugendlicher natürlich grenzenlos. Als Erwachsener erweist sich die Passion dann als heimtückischer Geselle und lässt zwangsläufig nach. Daher musste ich den Level der Herausfor derung hochschrauben, um auf Top-Niveau und energiegeladen zu bleiben. Wenn mir im Park also ein Ball zugeflogen kommt, bedeutet das erstens wenig Begeisterung und zweitens null Herausfor-derung das hat keinen Reiz für mich.
Sind Sie eher ein Typ, der nach dem Abschied locker dachte: Schauen wir mal, was so passiert! Oder sind Sie doch vielmehr ein Kontrollfreak?
Ich plane nichts und ich kalkuliere nichts, und das ist, glaube ich, ein positiver Teil meines Wesens. Für viele mag das unreif klingen, doch nur auf diese Weise fühle ich mich glücklich im Leben. Ich brauche diese Leichtigkeit, keine Schwere. Dazu benötigt man auch einen Schuss Selbstironie, sich nicht immer übertrieben wichtig zu nehmen. Natürlich sind anvisierte Zicle wichtig, doch sie dürfen nicht zur krankhaften Obsession führen.
Mein Motto lautete stets: Ich weifs, dass ich mein Ziel erreichen kann, aber nicht um jeden Preis, sondern mit unbekümmerter Lebensfreude.
Ganz ohne Fußball geht die Freude offenbar nicht. Nun sind Sie Sportdirektor der Azzurri, Nachfol-ger Ihrer leider verstorbenen Idole Gigi Riva und Gianluca Vialli.
Ich rede nie schlecht über andere, da halte ich lieber den Mund. Erzähle ich hingegen etwas Positives, dann können Sie davon ausgehen, dass es von Herzen kommt. Im Calcio gibt es vielleicht fünf Menschen, die ich bedingungslos schätze, und zwei davon sind Gigi und Luca wegen ihrer Intelligenz, Würde, Integrität und Menschlich keit. Ihr Erbe anzutreten, ist ein Geschenk des Lebens und zugleich enorme Verantwortung. Der Sport hat mich zu einem besseren Menschen gemacht, und ich erkenne ebenso an, wenn je mand besser als ich ist. Beide waren besser als ich, deshalb werde ich ihre Verdienste schwerlich erreichen. Ich verspreche aber, mein Allerbestes zu geben, und hoffe, sie nicht zu blamieren und dass sie mir ab und an von oben aushelfen.
Beim frühen EM-Aus in Berlin vergangenes Jahr hat das grenzwertig geklappt.
Berlin da kommen immer eine phänomenale und zwei schlechte Erinnerungen zurück. Dort sind wir 2006 Weltmeister geworden, 2015 verlor ich mit Juventus dann das Endspiel der Cham pions League gegen den FC Barcelona und zuletzt die Niederlage gegen die Schweiz. Das bedeutet, beim nächsten Mal feiern wir dort also wieder einen großen Erfolg... (schmunzelt) Doch 2006 bleibt unantastbar, das Erlebnis war dermaßen gigantisch, dass Berlin trotz negativer Etappen eine Stadt ist, die für mich immer strahlen wird. Noch mal zurück zur Europameisterschaft, haben Sie eine Erklärung für das schwache Abschneiden? Ich war wirklich überzeugt, dass wir im Achtel finale Fahrt aufnehmen. Unser Turnierstart war gut, danach wurden wir von Spanien massakriert. Ein unerwarteter Schock, der am Selbstwertgefühl kratzte, denn wir glaubten, schon auf einem höhe ren Level mithalten zu können. Nach dem Tor in letzter Sekunde gegen Kroatien dachte ich, es wäre
Als Torwart wurde er zur italienischen Legende. Als Sportdirektor der Azzurri freut sich der 47-Jährige nun auf die Duelle mit Deutschland, speziell das Rückspiel in Dortmund.
Im XXL-INTERVIEW aber gewährt er vor allem als Mensch spannende und tiefe Einblicke in seine Gedanken und Gefühle.
der Funke, den dir das Schicksal in einem Turnier manchmal zur entscheidenden Wende schenkt. Gezündet hat er dann nicht.
Nein, der Motor sprang nicht an. Wir waren keine Einheit, uns hat etwas gefehlt, ich weiß auch nicht genau was. Es war aber sicher nicht die Qualität, obwohl mich alle für verrückt er klärten, als ich das am Tag nach dem Schweiz Spiel erzählte. Davon war ich und bin ich immer noch überzeugt. Ich behaupte nicht, dass wir künftig alle in Grund und Boden spielen, an der Klasse mangelt es aber sicher nicht.
Wie würden Sie den aktuellen Stand der Azzurri einschätzen?
Italien hat ein ultra-konkurrenzfähiges Team mit elnem schlauen, charismatischen Trainer Luciano Spalletti und mit Profis, die in jeder Nationalelf spielen würden. Nach der EM haben wir viele Ge spräche geführt, und alle brannten darauf, wieder loszulegen. Die Ergebnisse sprachen für sich, doch jetzt gilt es, in zwel Partien gegen eines der stärks-ten Teams überhaupt, die Arbeit der letzten sechs Monate zu bestätigen. Das bedeutet nicht, dass wir Deutschland schlagen müssen. Es bedeutet, sich in den 180 Minuten auf Top-Niveau und Augenhöhe zu begegnen. Das wäre die wichtigste Erkenntnis. Sollten wir trotzdem knapp Ausscheiden, muss man dem Besseren halt gratulieren.
Das Rückspiel findet in Dortmund statt. Die Wahl hat Sie sicher gefreut, oder?
Ah, Dortmund, die Stadt könnte tatsächlich meine Wahlheimat sein. Dort habe ich mit Parma eine meiner ersten Partien überhaupt in der Cham pions League bestritten und hielt zwei Elfme ter von Stephane Chapuisat und Andy Möller. 2006 gewannen wir dann das WM-Halbfinale gegen Deutschland, 2015 ein 3:0 im Achtelfinale der Königsklasse gegen den BVB. Und vergangenes Jahr schlugen wir dort zum EM-Auftakt Albanien. Ja, ich muss gestehen, ich möchte immer in Dort
mund spielen und dort leben....(schmunzelt) Da wären die Leute Ihrer Toskana sicher ziemlich enttäuscht. Wie wichtig ist Ihnen Heimat?
Sie ist unerlässlich, ohne sie wäre meine Seele är mer. Ich wäre ein Mensch ohne Vergangenheit
und Wurzeln, so etwas macht dich zerbrechlich. Ich hingegen stehe mit beiden Füßen auf dem Boden. habe praktisch vor nichts Angst das ist vielleicht eine Art von Wahnsinn. Es hilft dir aber, mutige Entscheidungen ohne Kompromisse zu treffen, wenn eine Logik dahintersteckt. Und läuft es schief, geht die Welt nicht unter. Ich habe meine Familie, Eltern und Schwestern, meine alten Freunde, die Orte meiner Kindheit, wo ich mich wohlfühle. Das ist mein Vermögen, mein Reisepass, sozusagen. Existenzielles Gleichgewicht für mein Glück.
Inwieweit hat die Familie denn zu Ihrer Karriere beigetragen?
Ein Beispiel: Als Kind verbrachte ich jedes Jahr einige Zeit bel Tanten, Onkeln und der Oma Im Friaul. Die einen hatten einen Supermarkt, und im Bett hörte ich sie schon morgens um fünf bei den Vorbereitungen, es rumorte den ganzen Tag. Ein anderer Onkel stand zur Arbeit um vier auf und kam spätnachmittags zurück. Um halb acht dann alle ab ins Bett. Ich kapierte dieses Leben als kleiner Junge natürlich nicht, aber später habe ich mich er-innert und verstand: Wenn du etwas erreichen willst, musST du in deinem Job Opfer brin-gen- und gleichzeitig Liebe und Begeisterung empfinden.
Sie sagten einmal, Parma war wie die Mutter, Juventus der Vater und Paris Saint Germain der beste Freund. Wer ist denn dann die Nationalelf?
Der große, gutmütige Opa, der alle urnarmt (la chelt). Anders als auf Vereinsebene, stehen die Nationalmannschaften noch für die Grundidee, noble Empfindungen und Respekt, ohne ins Nationalistische oder in Unsportlichkeit abzudrif-ten. Letztlich ist es doch so, dass man die intensivs te Fürsorge für die Nazionale verspürt, weil sie alle vereint, und dir die Möglichkeit gibt, unermessli che Träume zu erleben. Der eine hält zu Juventus, der andere zu Bologna, ein Dritter zu Modena; die Azzurri besitzen die Kraft, dass sich alle umarmen. Diese Magie kann dir kein anderer schenken, und
„Ich kann mich glücklich schätzen, Teil der Geschichte eines gigantischen Vereins wie Juventus geworden zu sein."
ich bin, im gesunden Sinne, ein stolzer, glücklicher Italiener. Wenn mich jemand fragte, wärest du im Leben lieber, keine Ahnung, Engländer, Ameri kaner oder Chinese gewesen, würde ich sagen: Nein, ich wurde geboren, um Italiener zu sein. Sie klingen immer wie ein Fußball-Romantiker....
... und das bin ich auch. Mich haben immer die Sensationen der Underdogs und kleinen Klubs fasziniert. Ich fand diesen Mix aus Courage, Schweiß, Willen und Seele bewegend. Es ist das Schöne im Fußball, an eine Utopie zu glauben, wenn deine Stärke eigentlich nur bis fünf aus reicht, du im Kopf jedoch auf Tausend kommst. Einen Kopf haben wir alle, und jeder kann dort
unvorstellbare Orte erreichen. Das machen sicherlich allerhand Fans.
„Ich habe praktisch vor nichts Angst -das ist vielleicht eine Art von Wahnsinn."
Ich war und bin ja zuallererst ein Fan des Fußballs. Deshalb war ich bis zum Karriere Ende gewissermaßen ein Tifoso auf dem Rasen. Das half dabei, niemals abzuheben, sich nie als jemand Besonderes oder Gott auf Erden zu fühlen. Der Fußball hat mir zu einem guten Le ben verholfen und verdiente meinen Respekt. Mit den Fans, insbesondere jenen in der Kurve, gab es stets eine intensive Bindung, denn was sie dachten und fühlten, dachte und fühlte auch ich, Einige Trainer kamen zu mir und sagten: Du weißt offenbar gar nicht, welchen Status du auf der Welt. genießt womöglich macht das deine Stärke aus! Und vielleicht hatten sie recht. Denn mir war sol-cher Firlefanz wie Bester Torwart der Welt, ehrlich gesagt, schelßegal. Fin Chefarzt, der ein Lehen rettet, ist ein besonderer Mensch. Ich hatte Glück, dass mir ein Fußball-Talent geschenkt wurde, mit
dem ich meine Passion zum Beruf machen konnte, Das ist schon mehr, als man verlangen darf, und muss nicht noch beweihräuchert werden.
Hat der Fußball mit ausländischen Investoren,
Algorithmen für Neuzugänge und dem Verein als
Unternehmen diese Leidenschaft beschnitten?
Er hat sich schon verändert und vielleicht ein wenig an Geschmack und Menschlichkeit eingebüßt. Ich brauchte diesen Gusto, selbst wenn es bloß eine Illusion war, etwas Einzigartiges erreichen zu können. Das fällt nun schwerer, da viele Klubs ans Business denken, weniger an Zugehörigkeit oder ans Schreiben der Geschichte. Viele beschweren. sich, es gebe keine Identifikation mehr, Profis, die Ihre Karriere elnem Verein widmen. Ich denke eher, dass die Klubs an solch einer Geschichte gar kein Interesse mehr haben, sie womöglich sogar als lästig erachten. Vor 20 Jahren hiels es, die Profis seien Söldner, heute liegt die Schuld womöglich. eher bei den Klubverantwortlichen. Sie spielten in Italien nur
für zwei Teams. Gibt es ein. bisschen Wehmut, trotz vieler Offerten wie von Barca nur ein Jahr im Ausland bei PSG erlebt zu haben? Überhaupt nicht. Ich kann mich eher glücklich schätzen, Teil der Geschichte eines gigantischen Vereins wie Juventus geworden zu sein, das Gleiche gilt für Parma, wo ich mit 13 Jahren anfing und die Karriere in der Serie B beendete. Diese Stadt und der Verein werden immer einen besande-ren Platz in mir haben. In Paris wurde mir aber klar, dass ich bei einem frühzeitigeren Wechsel ziemlich lange im Ausland geblieben wäre. Mei-ne Familie und ich erlebten in Frankreich eine fantastische Zeit, die Kinder fragen heute noch: Papa, wann gehen wir zurück nach Paris? Das wäre gerade etwas kompliziert, doch bei meinem wirren Kopf weiß man ja nie. (lacht)
Wie kamen Sie dort mit Thomas Tuchel zurecht? Tuchel war und ist ein echter Künstler seines. Fachs und verfügt über eine hochfeine Intelligenz. Schlau, gerissen und ein exzellentes Gespür.
Für die Champions League langte es dort nicht, die wurde inklusive drei verlorener Endspiele beinahe zum Fluch für Sie.
Wir waren nicht die Titelfavoriten, hatten in je nem Jahr aber ein bärenstarkes Team. Zwischen Spielern untereinander und dem Mister stellte sich eine derartige Empathie ein, die zum Sieg hätte führen können. In der besten Phase kam es dann wie so oft in den vergangenen Jahren bei PSG: Als nach dem 2:0 bei ManUnited alles so gut wie erledigt schien, machte uns im Rückspiel beim 1:3 ein Mix aus Fahrlässigkeit, mangelhafter Konzent-ration und einer Prise Pech einen Strich durch die Rechnung. Das war einer der Gründe für meinen Abschied nach nur einem Jahr.
Wegen des Aus im Achtelfinale?
„Einen Kopf haben wir alle, jeder kann dort unvorstellbare Orte erreichen. Es ist das Schöne, an eine Utopie zu glauben."
Nicht per se, eher die Art und Weise. Ich fühlte mich schuldig, nicht wegen eines Torwart-Feh-lers, sondern weil ich meine Präsenz dort als nutzlos erachtete. Ich wurde mit meinen 40 Jah ren ja auch als eine Art moralische Instanz ge holt, in genau solchen Momenten einzuschrei ten und für die adäquate Spannung zu sorgen. Ich ließ mich hingegen von der Nachlässigkeit im Vorfeld anstecken. Ich suche Fehler immer zuerst bei mir selbst, und damals nicht eingeschritten zu sein, war mein Versagen.
Und zur Buße wählten Sie danach zwei Jahre die Reservistenrolle bei Juventus?
„Ich schätze Gigi Riva und Luca Vialli bedingungslos. Ich hoffe, dass die beiden mir ab und an von oben aushelfen."
(lacht) Nein. Das war wieder eine meiner Her ausforderungen. Ein schöner Traum, mit alten Freunden vielleicht doch noch mal den Henkel-pott hochzuhalten. Außerdem kann ich heute zu jemandem sagen, der über einen Platz auf der Bank murrt: Glaube mir, wenn ich mich dorthin gepflanzt habe, kannst du das auch.
Mit dem Henkelpott-Traum klappte es dann nicht, und nebenher platzte auch der Traum von der sechs-ten WM-Teilnahme. Was traf Sie härter? Daran trug ich wirklich wenig Schuld. Wir mach-ten in den Play-offs 2017 zwei schlechte Partien gegen Schweden, und ich war nach dem Aus
so niedergeschlagen wie selten. Als ich anfing, galten fünf Teilnahmen als Maximum. Bei der ersten WM in Frankreich sagte ich mir: Los Gigi, fünf kannst du schaffen! Bei der fünften: Holla, du kannst sogar mehr erreichen, es gibt ja keine Regel, die sechs Endrunden verbietet! Daran habe ich intensiv gearbeitet und befand mich körper lich und mental in Top-Form. Ich verstand, kein anderer darf dir ein Limit setzen, du musst selbst ehrlich herausfinden, ob du die Messlatte höher legen kannst. Ich fühlte mich so unglaublich
fit, dass ich realistisch gar sieben hätte schaffen können natürlich nicht als Nummer 1, aber als zweiter oder dritter Keeper schon.
Nun ja, höchstens theoretisch. Mittlerweile gibt es allerdings fast eine ganze Generation, die die italienische Hymne nie bei einer Weltmeisterschaft gehört oder die von Ihnen geliebten Panini-Bilder fürs WM-Album gesammelt hat.
Das ist wirklich ziemlich traurig. Unser Dabei sein wurde zuvor immer als erledigte Pflicht ab gehakt. Nun ist Vorfreude vielleicht die größte
Freude, deshalb wird der Enthusiasmus bei un serer nächsten Teilnahme und ich hoffe mal, es wird 2026-bombastisch sein.
Für Ihren Sohn Thomas käme die noch ein bisschen früh. Louis Thomas hat kürzlich für die tschechi-sche U18 debütiert und kurz darauf beim Zweit-ligisten Pisa. Sind Sie eigentlich froh, dass er kein Torwart geworden ist?
Er ist offensichtlich schlauer als ich bei seinen Entscheidungen. Ich sagte ihm aber: Hey, genial, wir haben beide mit 17 im Profigeschäft debütiert! Der Unterschied ist: Ich gegen Milan, du in der Serie B gegen Lo Spezia (grinst). Spaß beiseite. Er wollte Stürmer sein, und da rede ich ihm nicht rein. Ich bin glücklich, wenn er glücklich ist. Außerdem ist er in seinem Alter schon deutlich. reifer, als ich es damals war, und ich hoffe, meine manchmal unorthodoxen Entscheidungen wie zum Beispiel der Wechsel zu Parma in die 2. Liga haben ihm etwas mit auf den Weg gegeben.
Zumindest redet er als Angreifer nicht mit seinen Handschuhen, was Sie ja mal erzählten, ab und an gemacht zu haben. Der Handschuh-Flüsterer" wäre wirklich ein Knaller-Titel für einen Film über Buffon. (lucht) Nein, gefällt mir nicht. Mal überlegen. Ich würde den Streifen „Der erfolgreiche Träumer und der heroische Verlierer" nennen. Ziemlich lang.
Passt aber, denn zurückblickend fühle ich mich ein bisschen so. Ich habe nie die einfache Wahl getroffen, weil ich, wie vorhin schon mal erwähnt, immer den herausfordernden Gusto suchte. Des-halb hätte mich der Gewinn der Champions League mit, sagen wir mal, Real Madrid jetzt nicht so vom Hocker gehauen. Mit Juventus schon, nachdem. wir eine Saison in der Serie B verbracht hatten und der letzte Königsklassen-Triumph fast 20 Jahre zurücklag, Ich fühle mich mit mir im Reinen und stolz, menschliche Entscheidungen und Träume vor den Erfolg gesetzt zu haben, auch wenn ich anderswo vielleicht mehr Prestige-Titel hätte ge winnen können. Ein Träumer aiso, der manches erreicht hat, und ein Verlierer, der oft nah dran war, doch in drei Endspielen der Königsklasse und in einem der EM unterlag, Aber in Geschichte oder Kunst sind die Helden doch meist Verlierer und sterben einsam, oder? Zu Lebzeiten kritisiert, was das denn für ein Schwachkopf sei, und wenn er dann nicht mehr ist, springen alle auf den Jubel-Zug auf und sprechen ihn heilig: Was für ein Held! Gibt es im Fußball denn echte Helden?
Ich habe einen Traum, der sich ständig wieder-holt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft ich mir wie in einem Zeichentrickfilm ausgemalt habe, und klingt es auch noch so verrückt, dass in einem Krieg, wie jetzt in der Ukraine oder Palästina, Cristiano Ronaldo, Messi, Maradona, Pele und Buffon auftauchen und sich zwischen die Frontlinien stellen. Würden die Soldaten trotzdem schießen? Keine Ahnung, ich glaube aber nicht. Die weltweite Wertschätzung ist dermaßen enorm, dass wir diese Kraft haben könnten. Konflikte zu lösen. Oft fehlt der Mut, die Lust oder der Glaube daran, und wir beschränken uns auf das, wozu wir geboren wurden Fußball zu spielen. Vielleicht ist das auch in Ordnung so. Obwohl ich überzeugt bin, dass wir mehr tun und viel, viel Bedeutsameres schaffen könnten. INTERVIEW: OLIVER BIRKNER